KDFB thematisiert Menschenhandel und Zwangsprostitution – Erfahrungsbericht einer Betroffenen
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Die Passauer Gruppe „Nein zu Gewalt an Frauen“ hat auch in diesem Jahr anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen am 25. November ein umfangreiches Aktionsprogramm organisiert. Ihren Abschluss fand die Veranstaltungsreihe mit einem Vortrag zum Thema „Menschenhandel und (Zwangs-)Prostitution – sehen, verstehen, handeln“ im evangelischen Zentrum St. Matthäus in Passau.
„Menschenhandel und Zwangsprostitution sind Themen, die in unserer Gesellschaft bislang wenig Beachtung finden, aber für viele Frauen dramatische Folgen haben können“, sagte Kathrin Plechinger, Geschäftsführerin des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB) in der Diözese Passau, zur Eröffnung des Abends. Um das oftmals unsichtbare Leid sichtbar zu machen, lud der KDFB mit Sandra Norak eine Betroffene ein, die eindrucksvoll ihre Geschichte erzählte – eine Geschichte, die zeigt, wie leicht Frauen in die Fänge von Menschenhändlern geraten und wie schwer der Weg aus der Zwangsprostitution ist. Sandra Norak war nicht einmal 16 Jahren alt, als sie Opfer der sogenannten „Loverboy-Methode“ wurde. Diese Methode basiert auf gezielter Manipulation und folgt einem klaren Muster: Die Täter gewinnen zunächst das Vertrauen ihrer Opfer, schaffen Abhängigkeiten und vermitteln die Illusion, Prostitution sei eine normale Lebensweise – bis sie schließlich Druck ausüben. „Die Folge: Vulnerable Menschen willigen in die eigene Ausbeutung und den Missbrauch ein und glauben später oftmals, es sei ihre eigene Wahl gewesen“, sagte Norak. Auch bei ihr selbst war das so. Norak berichtete von ihren Problemen als Minderjährige: von ihrer Magersucht, selbstverletzendem Verhalten und der psychisch erkrankten Mutter. Sie flüchtete ins Internet. In Chats suchte sie nach Menschen, mit denen sie sich anonym über ihre Sorgen austauschen konnte, „weil ich in der Realität niemanden hatte.“ So lernte Sandra Norak eine Frau kennen, die zu einer vermeintlichen Freundin wird. „Später stellte sich heraus, dass sie eine Prostituierte meines Zuhälters war, die nicht mehr konnte und für ihn Nachschub gesucht hat.“ Diese Frau vermittelte den Kontakt zu Noraks künftigem Zuhälter. Mit ihm spielte sie zunächst Onlinespiele, es folgten Besuche, Norak verliebte sich. „Prostitution war lange kein Thema. Das ist üblich bei dieser Methode. Es geht darum, eine emotionale Bindung zu labilen, vulnerablen Menschen aufzubauen.“ Erst sehr viel später führte der Mann die damals Minderjährige in das Rotlichtmilieu ein, verkaufte diese Welt als Normalität. „Ich war ein Mensch ohne Orientierung. Ich habe mich gefragt: Wenn das alles legal ist, wenn der Staat sagt, das ist eine normale Arbeit – dann ist das ja normal, dass es stattfindet. Das ist ein Punkt für mich, warum unsere Gesetzgebung gefährlich ist: Weil sie Menschen, die jung sind und keine Orientierung haben, keine Orientierung gibt.“ Der Wendepunkt kam mit einem perfiden Schachzug: Der Zuhälter erzählte von angeblichen Schulden und überredete Norak, sich für ihn zu prostituieren, um ihm zu helfen. Es folgten fast sechs Jahre Zwangsprostitution – eine Zeit geprägt von Gewalt, Erniedrigung und emotionaler Abhängigkeit.
2014 gelang Sandra Norak der Ausstieg aus der Prostitution. Ein langer und beschwerlicher Weg. Sie holte ihr Abitur nach, studierte in Passau Jura und gibt heute betroffenen Frauen eine Stimme. Bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit ist es ihr ein Anliegen, zu verdeutlichen, dass ihr Schicksal kein Einzelfall ist. Zudem macht sie eindrücklich darauf aufmerksam, dass auch Frauen, die ohne sichtbaren Zwang und ohne sichtbare Fremdbestimmung anschaffen, oftmals Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution sind. „Die Frau in Ketten, die gefesselte Frau, die eingesperrte Frau – daran denken die meisten zuerst. Doch Menschenhandel und Zwangsprostitution können auch andere Erscheinungsformen haben“, so Norak. Doch warum geben so viele Betroffene Freiwilligkeit und Selbstbestimmtheit vor? Warum gelingt ihnen nicht der Ausstieg? Norak berichtete von einer Gemengelage aus Gewalt, Drohungen, Drogen und Alkohol, Alternativlosigkeit, Scham und Schuld, dem Verlust des Selbstwerts, Traumafolgen und fehlendem Opferbewusstsein. Gerade der letzte Punkt sei ein großes Problem. „Es ist wichtig, Betroffenen zu helfen, sich selbst als Opfer zu erkennen“, sagte Norak. Dazu beitragen könnten beispielsweise Flyer, die Erkennungsmerkmale für Menschenhandel aufzeigen, beschreiben, wie man sich dabei fühlen kann und was möglicherweise passiert. „Dann kann es irgendwann Klick machen“, ist Norak überzeugt. Wichtig für die Betroffenen wäre aus ihrer Sicht auch die Einführung des „Nordischen Modells“ in Deutschland. Zentrales Element dieses Modells ist die Kriminalisierung der Freier, während die Frauen selbst straffrei bleiben und Unterstützung erhalten. „Ich mache mir keine Illusion, dass man damit Prostitution abschaffen kann oder wir jedes Problem lösen. Aber schlimmer, als die Zustände jetzt bei uns sind, kann es nicht mehr werden.“